Literaturland
Werner Lutz
Gedichte
Kurz vor Zwanzig
liegt mein Garten
die erste Liebe
mit Buchsbäumchen ein Rondell
hohes Gras
in dem ich barfuss gehe
so oft ich will
kurz vor Zwanzig
schwatzend und lachend
lehnt die Zukunft
Schulter an Schulter mit mir
am grüngestrichenen Zaun
Namen
herbstlich schöne Namen
stehen in der Vase
schon wieder
ist eine Liebe vorbei
ich schreibe diese Zeilen
mit verdünnter Tinte
beinahe unsichtbar
Flusstage
Werner Lutz: Textfragment im Bild. Mischtechnik auf Baumwolltuch. 43,5 x 62 cm. 1994. In: Katalog zur Ausstellung der Galerie Carzaniga & Ueker, Basel. 16. Februar bis 18. März 1995.
Ich sitze am Ufer
knüpfe Beziehungen an
Beziehungen fliessen mir zu
wer am Ufer sitzt
ist miteinander verwandt
wer auf den Steinen flussaufwärts
wer auf den Steinen flussabwärts
wer irgendwo dazwischen
auf den Steinen sitzt
gehört dazu
greift nach dem Band
dasselbe Wasser fliesst
uns durch die Augen
und was es mitträgt an Treibgut
stösst jeden an
steht einer auf und geht
bleibt eine Lücke
bis einer kommt sich setzt
und das Wasser wieder weitergibt
Publiziert in: «Ich wäre überall und nirgends». Appenzeller Anthologie. Literarische Texte seit 1900. Herausgegeben von der Ausserrhodischen Kulturstiftung. Schwellbrunn: Appenzeller Verlag, 2016. S. 197–199.
Erstpublikation Gedichte: Kurz vor Zwanzig & Namen – Werner Lutz: Farbengetuschel. Frühe Gedichte. Frauenfeld: Waldgut Verlag, 2004. S. 13, 59; Ich sitze am Ufer – Werner Lutz: Flusstage. Gedichte. Zürich: Ammann Verlag, 1992. S. 8.