Literaturland
Maria Lutz-Gantenbein
Gedichte
Mein Afrika
Die dunkle Hand
hat mich
immer
geführt,
wenn ich die Brücken
im weissen Land
nicht mehr
erkannte.
Für Heschmatollah
Über Mohnfelder
rittest du
in deiner Kindheit
Jetzt
bist du
heimatlos
In meinem Garten
flammt
Mohn
den ich gepflanzt
für dich
Wenn er verblüht
wird
Erinnerungs-Schlaf
in seinen Fruchtkapseln
reifen
für deine
unbeschirmten Nächte
Kinderland
Aufgeblüht
der Kirschbaum,
der wilde,
im Wald.
Kinder
hüpfen auf Stelzen,
betrachten das Leben
von oben.
Im Rinnstein
rollen
die Marmeln:
gläserne Welten
fliehen
und schwinden.
Manchmal
Manchmal
geh ich zum Bahnhof.
Immer
ist Abschied
dort.
Manchmal
kommst du gegangen
in deinem grünen Gewand.
Das duftet
nach Zimt und Nelken.
Dann weiss ich:
Du bist auf Reisen gewesen.
Trägst du aber
den lila Rock
mit dem Lavendelgeruch,
bringst du mir
viele Gedichte.
Manchmal
geh ich zum Bahnhof
und suche im Menschengewühl
dein Gesicht.
Longé Lésè
(Fürs ganze Leben)
Ich habe die Sprache vergessen,
den weichen Duala-Laut,
verloren
ndolo (die Liebe),
auch Njonji,
die treue Magd.
Mún’ á mukàla
(das Kind des Weissen)
raunen noch Muscheln,
longé lésè
knistert
die Schlangenhaut.
Ozeanwasser
in meiner hohlen Hand
spiegelt
Afrikas schwarzes Gesicht.
Dipitá (Hoffnung)
ist matt geworden.
Aber der Wind bleibt stark.
Über die Wölbung der Erde
tanzt er
ins Kinderland.
Publiziert in: «Ich wäre überall und nirgends». Appenzeller Anthologie. Literarische Texte seit 1900. Herausgegeben von der Ausserrhodischen Kulturstiftung. Schwellbrunn: Appenzeller Verlag, 2016. S. 112–114.
Erstpublikation: Maria Lutz-Gantenbein: Mohnglut. Zürich: pendo-Verlag, 1996. S. 81–83, 93, 135.