Literaturland
Robert Walser
Im Bureau
1895/96 arbeitete Robert Walser als Bürokraft in Stuttgarter Verlagen, kehrte dann aber in die Schweiz zurück. Um die Jahrhundertwende wechselte der 20-Jährige mehrmals seine Anstellungen. Seine ersten gedruckten Texte waren Gedichte. Sie erschienen anonym im Sonntagsblatt des Bund in Bern.
Der Mond blickt zu uns hinein,
er sieht mich als armen Kommis
schmachten unter dem strengen Blick
meines Prinzipals.
Ich kratze verlegen am Hals.
Dauernden Lebenssonnenschein
kannte ich noch nie.
Mangel ist mein Geschick;
kratzen zu müssen am Hals
unter dem Blick des Prinzipals.
Der Mond ist die Wunde der Nacht,
Blutstropfen sind alle Sterne.
Ob ich dem blühenden Glück auch ferne,
ich bin dafür bescheiden gemacht.
Der Mond ist die Wunde der Nacht.
Publiziert in: «Ich wäre überall und nirgends». Appenzeller Anthologie. Literarische Texte seit 1900. Herausgegeben von der Ausserrhodischen Kulturstiftung. Schwellbrunn: Appenzeller Verlag, 2016. S. 278.
Erstpublikation: Robert Walser: Im Bureau. Aus dem Leben der Angestellten. Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Reto Sorg und Lucas Marco Gisi. Berlin: Insel Verlag, 2011 (insel taschenbuch 4087). S. 9.