apropos Nicht-Schreiben-Können:

Nach meinem Spaziergang auf den Freudenberg schrieb ich dann doch, sonst wäre der Blog von letzter Woche nicht entstanden. Kaum hatte ich einen Punkt hinter dem letzten Satz gesetzt, war jedoch wieder Sendepause, und ich griff zurück auf das System „Recyceln“ – siehe den Beitrag vom 1. Dezember. Ein Text, tausend Variationen – so lautet die Devise. Man bediene sich eines bereits bestehenden Textes und zerstückle ihn nach eigenen Regeln. Ich bediente mich meiner Literaturmaschine (dieses Mal war es die Delete-Taste), und aus einer berühmten Textstelle entstanden drei Variationen. Voilà:

1

Spass, eine Glanzidee, einen Feigenbaum zu finden. Gebell, Alarm ringsum, Herden in der Nacht; es müssen ziemliche Bestien sein. In der Höhe keine Feigenbäume, nur Disteln, Wind. Nacht in Griechenland, Nacht im Juni, nass. Saumpfad hinauf, steinig, staubig, im Mondlicht weiss. Schwarze Felsen über uns. Eselwiehern. Sonst Totenstille; Hunde verstummt. Weisse Hütten von Korinth; eine Zypresse. Wir sind die ganze Nacht gewandert, ohne einen Menschen zu treffen. Gebimmel einer Ziege, Hänge, Pfefferminz, Stille, Durst, Wind. Türme und Zinnen. Tore und Tore, Echo unser eigenen Schritte, Mauern, Totenstille, wir stehen. Mondschatten; mitten in der Nacht, oben auf dem Berg. In der Ferne das Meer.

2

Saumpfad zwischen Felsen hinauf, im Mondlicht weiss wie Gips. Sabeth findet: Wie Schnee! Wir einigen uns: Wie Joghurt! Die schwarzen Felsen über uns: Wie Kohle! Das Wiehern eines Esels in der Nacht: Wie der erste Versuch auf einem Cello! findet Sabeth. Ich finde: Wie eine ungeschmierte Bremse! Die weissen Hütten von Korinth: Wie wenn man eine Dose mit Würfelzucker ausgeleert hat! Eine letzte schwarze Zypresse. Wie ein Ausrufezeichen! findet Sabeth, ich bestreite es; Ausrufezeichen haben ihre Spitze nicht oben, sondern unten. Nichts als Wind in trockenen Gräsern: Wie wenn man Seide reisst! findet Sabeth. Ich muss mich besinnen, und oft fällt mir überhaupt nichts ein. Ein Punkt für Sabeth, laut Spielregeln. Türme und Zinnen einer mittelalterlichen Bastion: Wie Kulissen einer Opéra! Unser Mondschatten: Wie Scherenschnitte! findet Sabeth. Wie spielen stets auf einundzwanzig Punkte, wie beim Pingpong. In der Ferne das Meer: Wie Zinkblech! finde ich, während Sabeth findet, es sei kalt.

3

Spass Sabeth Schlafen Saumpfad – steinig, staubig – Sabeth findet: Schnee! Sabeth Sabeth, ich finde: Schritte Spiel Sabeth, ich bestreite es; spitze Stille über schwarzen Hängen, Stille mit Herzklopfen und Durst, Seide reisst! Sabeth, ich muss mich besinnen, Sabeth, laut Spielregeln. Sabeth Schritte Scherenschnitte! findet Sabeth ein neues Spiel, Sabeth.

Wer erkennt den Autoren hinter der Textstelle? Auflösung zum 1. Dezember: Es handelte sich beim recycelten Text um ein Interview mit Martin Suter aus dem Magazin „Via“ (Ausgabe 2/2015).

– Laura Vogt