apropos Männer:

Die Literaturwelt bespricht seit geraumer Zeit ausgiebig den norwegischen Autoren Karl Ove Knausgård, der mit seiner radikalen Autobiographie international gefeiert wurde und wird. In diesem sechsbändigen Werk berichtet er aus seiner Sicht, der Sicht Karl Ove Knausgårds (wobei die Differenz zwischen Autor und Erzähler natürlich auch in diesem Fall nicht vergessen werden darf), über sein Leben, von Kindheitstagen an bis heute – und dies schonungslos mit sich und mit seiner Umwelt. Lange liess ich mich nicht berühren von diesem Hype, bis ich im Feuilleton der „Zeit“ einen empfehlenden Artikel las – und ja, schliesslich war auch ich im Knausgård-Sog. Erstaunlich, wie klein, wie gross der Mensch in diesen Berichten wird. Sein erstes Buch las ich im Herbst 2014, das zweite im Winter 2015, das dritte im Sommer 2015. Fini, fertig, danke, ich will nicht mehr, denke ich nun. Der Mann dreht und dreht sich um sich selbst und durchbricht dieses Gerüst zu selten. Ich habe genug.

Es gibt viele Für und Wider bezüglich Knausgård, doch nimmt man erst einmal die Bücher eines anderen norwegischen Autoren zur Hand, merkt man, was Knausgård – plump gesagt – fehlt: Verdichtung, Poesie. Und damit: Zauber.

Tomas Espedals Erzähler heisst, genau wie bei Knausgård, wie er selbst. Er schreibt aus seinem Leben heraus, aber verknappt, lässt Lücken, lässt Themen anklingen, die er nicht ausbuchstabiert, sondern der Leserin quasi übergibt.

In seinem 2015 auf Deutsch erschienenen Buch „Wider die Kunst“ schreibt Espedal nicht nur über seine Familie, über den Verlust seiner Mutter und den fast gleichzeitigen Tod seiner Ex-Frau, Mutter seiner Tochter, sondern auch über Räume und Heimat, über das Schreiben. Es sind teils wunderschöne Stellen, die ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nicht vorenthalten will:

„Es gibt so viele Möglichkeiten, so viele Namen und Orte, wir haben sie angesammelt und können sie nicht mehr so klar unterscheiden wie früher. Wir leben ein Leben und dann ein anderes, und später ein weiteres, und als würden wir an Seelenwanderung glauben, registrieren wir, dass etwas aus einem früheren Leben mit in das neue hinüberkommt; ein paar Gesichter, ein paar Namen, an mehr erinnern wir uns nicht.

Wir betreiben ein neues Leben, in einem neuen Zimmer an einer neuen Adresse, ohne Eltern, ohne Geliebte; möglicherweise wohnst du alleine mit einem Kind, einer Jugendlichen, nicht mehr lange, und sie ist erwachsen. Nicht mehr lange, und sie zieht aus, nicht mehr lange, und du verlierst dich selbst vollständig.

Ich ziehe an einen Ort, an dem ich noch nie gewesen bin.

Ich ziehe nach Hause.

Ein neues Buch; ein fremder Ort.

Ein neues Buch; ein neues Zuhause, unbewohnbar, wie immer.“

(Quelle: Tomas Espedal: „Wider die Kunst“, Berlin: Matthes & Seitz, S. 181f.)

PS: Wo wir schon bei Männern sind. Auflösung zum Blog vom 27. Dezember: Es handelt sich um eine Textstelle aus Max Frischs „Homo Faber“.