Vom Werden und Sein

Es begegnen mir die unterschiedlichsten Reaktionen, wenn ich auf die Frage nach meinem Beruf mit «Autorin» antworte: Staunen («Ach, das gibt’s wirklich»), Skepsis («Davon kann man leben?») oder Begeisterung («Cool, ich habe noch nie eine Autorin kennengelernt») sind nur einige davon. Fast immer folgt als zweite Frage: «Wie wird man das?».

Es gibt unterschiedliche Wege, Autorin oder Autor zu werden, bzw. das Schreiben zum Beruf zu machen. Ob nun mittels Studium (am Literaturinstitut in Biel beispielsweise), mit dem Besuchen von Schreibkursen oder -workshops oder auch ohne etwas davon, auf welchem Weg auch immer, ein in meinen Augen essentieller Aspekt dabei ist das Werden. Ich glaube fest daran, dass es ein Prozess ist, in den man sich hineinbegibt, nicht ein Zustand, der plötzlich beginnt: Ich bin jetzt Autorin.Ein Berufskollege von mir zog vor einigen Jahren nach Berlin, um Autor zu sein. Nach einem Jahr sagte er etwas ernüchtert zu mir: «Vielleicht komm ich jetzt dann wieder zurück. Ich bin schon ein Jahr in Berlin und wirklich passiert ist nichts.». Ich versuchte Verständnis zu zeigen, konnte mir aber ein Lächeln nicht verkneifen. Ein liebevolles Lächeln notabene, ein Lächeln ob seiner Naivität. Natürlich, wer wünscht sich das nicht: man schreibt einen Text, ein ganzes Manuskript vielleicht, dieses wird sogleich von einem Verlag verlegt, schafft es auf die Bestsellerliste und erhält den deutschen Buchpreis. Zack ist man Autor oder Autorin. Schöne Vorstellung, aber selten realistisch.

Wer sich darauf einstimmt, dass der Beruf der Autorin/des Autors eine Reise ist, auf die man sich begibt, wer sich wappnet für die Stopps, gar Rückschläge, für Hindernisse, Schwierigkeiten und Steine im Weg, der vermag realistischer auf das zu schauen, was die unsichere Zukunft der Schreibenden bereithält. Wer Autorin oder Autorin WERDEN möchte, ist eher bereit, Durchhaltewillen zu zeigen, das Ziel auch auf den kurvigen Strassen nicht aus den Augen zu verlieren und wird damit – so glaube ich fest – länger in diesem Beruf bestehen. Oder zumindest verbleiben. Weil der Glaube an das, was man tut und sein möchte auf dem Weg des Werdens gefestigt wird.

Mein Berufskollege ist trotz Ernüchterung noch geblieben in Berlin, hat – viel wichtiger – trotzdem weitergeschrieben und schau her: er hat nun einen Verlag und wird an verschiedenen Bühnen gespielt. Wies kam? Ich glaube, er hat gemerkt, dass er Autor werden muss und nicht einfach sein kann. Ein Hoch auf das Werden, also, und wer diesem vertraut, wird alsbald auch sein.

Rebecca C. Schnyder