Der kleine aber feine Unterscheid

Auch ich möchte ein Stichwort auffassen, welches meine Vorgängerin und Kollegin Laura Vogt in einem Blog-Beitrag besprochen hat und zwar den Unterschied zwischen dem Schreiber-Ich und dem literarischen Ich. Und gleich hier gebe ich gerne zu, dass auch mir beim Lesen diese Unterscheidung immer wieder schwerfällt, insbesondere wenn ich entweder die Autorin oder den Autoren persönlich kenne oder aber schon viel über diese Person gelesen habe. Als Autorin hingegen bestehe auch ich auf diesem Unterschied.

Natürlich, sie schleichen sich ein in Texte, die eigenen Erfahrungen, Ansichten, Ansätze. Können. Tun es oft. Müssen aber nicht. Möglich, dass bei der Lektüre von einem meiner Texte, Bekannte schmunzeln, weil sie dies und das von mir oder aus meinem Leben wiedererkennen. Weil ja, Worte, die ich niederschreibe haben zwangsläufig irgendetwas mit mir zu tun, und wenn es nur der Umstand ist, dass ich diese und nicht andere ausgewählt habe, worin bereits wieder ein Teil von mir liegt. Es können aber auch konkretere Entlehnungen aus dem eigenen Leben sein. Besonders wenn ich Figuren kreiere, sei es für Prosa oder Bühnentexte, leihe ich gerne Aspekte, Verhaltensweisen oder auch das Aussehen bei Menschen aus, die ich kenne, unterschiedliche Sprachmuster finde ich bei unterschiedlichen Freunden (Sie würden staunen, was Sie in ihrem Umfeld diesbezüglich alles finden, wenn Sie mal genau hinhören!). Es ist aber nichtsdestotrotz Vorsicht geboten, das Schreiber-Ich zu nahe ans literarische Ich zu stellen. Als Leser wie auch als Schreiber. Eine Distanz dazwischen tut beiden Parteien gut.
Ich persönlich glaube sogar, dass ein Text, der zu nahe bei einem selbst ist, auch darunter leiden kann. Kann. Muss aber nicht.

Bei einer Lesung aus einem entstehenden Manuskript vor knapp zwei Jahren, nach welcher die ZuhörerInnen aufgefordert, bzw. gebeten waren, ihre Meinungen zum eben Gehörten kund zu tun, echauffierte sich eine Frau über die Sprache, welcher meine Figur sich bediente. Diese Sprache ist eine saloppe, rotzige, sie flucht, sagt oft «Scheisse», mal «Arschloch» oder «Fick dich». Dazu anzumerken sei, dass es sich bei der Figur um eine 22-jährige Rebellin handelt, welche sich schwer tut mir dem Leben, der Welt, sich selbst. Die Frau meinte, ob das denn wirklich nötig sei, dass ich eine solche Sprache benutze. Zur Antwort gab ich ihr, dass nicht ich es bin, welche so spricht (ich denke im Gegenteil, dass ich persönlich über eine eher gepflegte Sprache verfüge, inklusive aller Höflichkeiten, Umgangsformen etc.), sondern die Figur. Es passiert mir sogar teilweise, dass wenn ich aus besagtem Text lese, es mir auch etwas unangenehm ist, die rauhen Aussagen, Flüche etc. auszusprechen. So weit weg ist die Sprache dieser Figur von meiner eigenen.

Gerne will ich mich an diesen Umstand erinnern, wenn ich bei der nächsten Lektüre wieder mal dazu tendiere, Protagonist und Schreiber gleichzusetzen.

Rebecca C. Schnyder