Beste Grüsse aus Leipzig

Gross, denke ich. Riesig, korrigiere ich mich sogleich. Und stehe etwas eingeschüchtert vor den Leipziger Messehallen. Ich weiss nicht genau, was ich mir vorgestellt hatte, aber auf jeden Fall kleiner. Weil das hier, das alles ist bedeutend grösser wie die OLMA und vor allem: Das ganze Gelände nur für die Literatur! Ich atme meine Nervosität weg und stürze mich ins Menschengewimmel der 25. Leipziger Buchmesse, ihres Zeichens nach das grösste Literaturfestival Europas. Dass ich hier lesen darf und kann ist natürlich ganz wunderbar. Und, wer weiss, eine vielleicht einmalige Gelegenheit. Je weiter ich meinen Weg aber durch diese Messe bahne und ihre Ausmasse auf mich wirken, ja mich fast erschlagen, frage ich mich, was ich Kleine hier soll. 3718 Veranstaltungen sind für die vier Messetage gelistet, eine davon meine Lesung im Rahmen vom Forum Junger Verlage. Und so denk ich mir: wer zum Himmel soll denn da kommen und zuhören?

Kurz vor der Lesung werde ich von meiner Verlegerin gewarnt, es sei laut, die Leute kommen und gehen, nur nicht ablenken lassen. Ein weiteres Mal atme ich meine Nervosität weg. Während der Lesung sehe ich aus den Augenwinkeln, dass ein Mann aufsteht und geht. «Ist sein gutes Recht» denk ich mir, und: «Es kann nicht allen gefallen». Meine anfängliche Befürchtung aber, vor drei Nasen lesen zu müssen, bewahrheitet sich nicht. Geschätzte 15-20 Menschen sitzen die halbe Stunde aus. So schnell wars dann auch wieder vorbei. Fazit: es fühlte sich nach Publikum an.

Eine knappe Stunde später, nach der sehr gut besuchten Lesung meiner Verlagskollegin Dana Grigorcea kommen wir auf die erfreuliche Zuschauerzahl zu sprechen. Es fallen unter anderem folgende Sätze: «Schön, so viele Menschen zu sehen, die sich für Bücher interessieren» sowie «Und so viele Menschen, die auch an Lesungen gehen». Denn Tatsache ist, dass das Publikum für Lesungen immer kleiner wird. Woran das liegen mag, da spekulier ich gerne ein nächstes Mal drüber. Jedenfalls freut sich umso mehr das Schreiber- und das Verlegerherz wohl gleichermassen, wenn an einer Veranstaltung wie der Leipziger Buchmesse die Menschen plötzlich in Scharen zur Literatur strömen, Zuhauf die vielen unterschiedlichen Lesungen und Veranstaltungen besuchen und Autorinnen und Autoren zuhören, die aus ihren Werken vorlesen.

Inmitten dieses Höhenfluges kurz darauf eine Mini-Ernüchterung: Einmal durch die Hallen geschlendert komme ich wieder an der gleichen Lesebühne zu stehen, auf welcher ich kurz zuvor selber gelesen hatte. Die Bänke sind alle besetzt, die Menschen stehen sogar dahinter, es ist voll und eng. Neugierig, welcher Autor oder welche Autorin so viel Publikum anzieht – ich dachte an eine Zeh oder einen Köhlmeier – schaue ich auf den Bildschirm mit den Infos. Ich lese einen Namen, denke mir «Oh, kenn ich gar nicht» und sehe sogleich darunter stehend: Poetry-Slam. Aber ich will nicht neiden und erfreue mich weiter am breiten Interesse und der Begeisterung für das geschriebene Wort, welche sich hier in Massen zeigt. Das macht beste Hoffnung für das Buch und die Literatur. Nur schon dafür hat sich der Besuch der Leipziger Buchmesse gelohnt.

Rebecca C. Schnyder