TV-Auftritt für die Anthologie

«Nicht nur Amerika ist eine aufregende literarische Landschaft, sondern auch das Appenzellerland.» Hildegard Elisabeth Keller kennt sich hier wie dort aus: Sie ist als Professorin teils hierzulande, teils in den USA tätig, und sie ist als St.Gallerin zumindest nah am Gebiet der Anthologie aufgewachsen.

In der Expertenrunde, mit Nicola Steiner, Martin Ebel, Hildegard Keller und erstmals mit dem ebenfalls aus St.Gallen stammenden Theatermann Milo Rau, wurde vorerst Weltliteratur diskutiert, aus aktuellem Anlass mit starker US-Schlagseite. Darunter war Paul Austers 1200-Seiten-Roman 4 3 2 1, dessen viermal anders verlaufende Lebensläufe namentlich Juror Martin Ebel zu wenig profiliert fand. Ebel regte ausserdem mutig an, dass in den deutschen Übersetzungen amerikanischer Romane künftig alle Baseball-Szenen gekürzt werden, «weil das sowieso niemand versteht in Europa». Der andere Amerikaner war der als Entdeckung gehandelte William H. Gass mit dem musikalischen Roman Mittellage. Hinzu kam das Schweizer Duo Jonas Lüscher mit Kraft und Peter von Matt mit Sieben Küsse.

Ein Fazit der Runde: Die USA seien mit ihrem neuen Präsidenten geradewegs auf dem Weg zurück in die 1960er-Jahre, jene Epoche, die Paul Austers Roman ausleuchtet und in der die USA mit Richard Nixon schon einmal einen «kriminellen Präsidenten, Rassenhass und Klassenhass» durchgemacht hätten, wie Martin Ebel sagte: «Furchterregend, sich vorzustellen, dass die Menschen dahin wieder zurück wollen.» Und Milo Rau brachte es auf den Punkt: «Wer die Vergangenheit nicht begreift, ist gezwungen, sie zu wiederholen.»

Das optimistischere andere Fazit lautete: Literatur ist ein Erkenntnisinstrument. Es bezog sich auf Auster wie auf Jonas Lüschers scharf überzeichnetes Porträt eines neoliberalen Versagers. Es galt aber auch Peter von Matts Streifzug durch die Sprache der (literarischen) Zungenküsse.

In der Schlussrunde, in der die vier Experten jeweils ein aktuelles Lieblingsbuch empfehlen, brachte Hildegard Keller dann die Appenzeller Anthologie aufs Tapet. Sie lobte die Vielfalt der Texte und den weiten Literaturbegriff, den das Buch praktiziert. «Es ist eine Liebeserklärung an eine Region und an zwei Kantone, die keine leichte Ehe eingegangen sind in der Geschichte. Und es ist auch der Beweis für eine unerhörte Arbeit, hier steckt viel Liebe und viel Schweiss darin», sagte Keller.

Der Link zur Sendung hier.

Grosse Freude natürlich, Lob aus so berufenem Mund und vor so viel Publikum zu bekommen. Wer sich von der Anthologie live ein Bild machen will, hat dazu im Februar gleich zweimal Gelegenheit: Am Mittwoch, 8. Februar um 19 Uhr ist das Buch in der Bibliothek Teufen zu Gast, mit den Autorinnen Lisa Tralci und Julia Sutter und den Herausgebern. Am Dienstag, 23. Februar ebenfalls um 19 Uhr öffnen sich die Türen der Bibliothek Heiden, für Autorin Bozena Frei, den Schauspieler Thomas Fuhrer und die Herausgeber Rainer Stöckli und Doris Ueberschlag. Anschliessend ist jeweils Platz für Gespräche, über die «aufregende literarische Landschaft» namens Appenzellerland und über die gehörten Texte. Details zu den Veranstaltungen hier.

Peter Surber